Sozialpädagogisches Team an der Europäischen Schule Saarland (ESS) „Jeder hat Lust und legt noch ’ne Schippe oben drauf“
Zur Schulgemeinschaft der neu gegründeten Europäischen Schule Saarland (ESS) in Saarbrücken zählt auch der ASB. Matthias Ludwig und sein pädagogisches Team ge-ben täglich „110 Prozent“. Sie leisten während der Unterrichtszeit pädagogische Be-gleitung und betreuen Schülerinnen und Schüler nach dem Unterricht und in den Fe-rien im Hort.
Gut möglich, dass die Hortkinder der Europäischen Schule Saarland (ESS) jetzt alle partout Raumfahrer werden wollen. Immerhin haben sie quasi zusammen mit Matthias Maurer und seinem Kollegen Raja Chari in 400 Kilometern Höhe über dem Erdboden bei 28.000 Stundenkilometern einen spektakulären Außenbordeinsatz absolviert. Im abgedunkelten Raum, die multimediale Schultafel zum XXL-Fernseher umfunktioniert, waren die Mädchen und Jungen per Livestream hautnah dabei, als die beiden Astronauten die Internationale Raumstation ISS verließen, um im Weltraum schwebend eine externe Kamera auszutauschen und Schläuche und Kabel zu installieren. „Besonders beeindruckend fand ich den Vulkanausbruch aus der Vogelperspektive und den Übergang von Tag und Nacht“, schwärmt Matthias Ludwig, pädagogischer Projektleiter der ESS. „Genial, was technisch heute alles möglich ist.“
Was für eine spannende Zeit! Auch ohne Weltall-„Ausflüge“ herrscht in der ESS immer munteres Treiben. „Wir haben Premieren am laufenden Band“, berichtet Ludwig. Erster Schultag, erster Horttag, Gründung der AGs, erste Turnhallennutzung und und und. „Es gibt immer noch mal was Neues.“ Allein die Bildungsministerin war schon drei Mal zu Gast in der Schule. Für die Ferien kreierte man Holiday Camps mit verschiedenen Themen. An einem Tag kam beispielsweise ein ASB-Rettungswagen zu Besuch, der besichtig werden durfte. „Die Rettungssanitäter haben einen kindgerechten Kurs in Erster Hilfe veranstaltet“ und das Blaulicht durfte natürlich auch ausprobiert werden. Tipi bauen, Stockbrot am Lagerfeuer backen, mit selbstgebastelten Pfeilen und Bögen trainieren, Ausflüge an die nahe gelegene Saar – „die Zeit verging bisher immer wie im Flug“.
Seit 2. September bereichert die inzwischen akkreditierte ESS die Bildungslandschaft im Saarland. Als erste öffentliche Schule im kleinsten Flächenbundesland verfügt sie über einen fünfjährigen Primar- und einen siebenjährigen Sekundarbereich, die zweisprachig zum Europäischen Abitur führen. An der gebundenen Ganztagsschule endet der Unterricht täglich für alle um 16 Uhr, 24 Kinder werden anschließend bis maximal 18 Uhr betreut. Ganztagsbereich und Hort befinden sich in Trägerschaft der Samariter – ein Gewinn für die ganze Schulgemeinschaft, verfügt doch der ASB Saar als freier Träger in der Kinder- und Jugendhilfe über einen reichen Erfahrungsschatz, was Schulsozialarbeit und Ganztagsbeschulung anbelangt. Trotz Engpässen auf dem Arbeitsmarkt konnte Ludwig rechtzeitig zum Start ein komplettes Team mit vier Mitarbeitern zusammenstellen. Eine Punktlandung! „Wir hatten drei Tage Zeit, um uns alle kennen zu lernen. Dann ging es direkt los.“
Zu den 45 regulären Schülern kamen im zweiten Halbjahr Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hinzu. „Die sind komplett integriert, als wären sie schon von Anfang an dabei.“ Dazu bei trägt, dass einige der Saarbrücker Schüler dolmetschen. Den nächsten großen Schritt geht die ESS nach dem Sommer: „Dann wächst die Schülerschaft auf 145, davon 80 Hortkinder, und die Personalsuche geht von vorn los.“ Beibehalten wolle man unbedingt das gute Mischverhältnis zwischen Berufsanfängern und Mitarbeitern mit Berufserfahrung. „Da bringt jeder was Anderes mit“, was in der Summe zu dem bunten, vielfältigen Angebots-Mix aus Sport/Bewegung, Entspannung und Kreativität führt, das die Schüler begeistert annehmen. „Im Sommer möchten wir uns als Fair Trade Hort zertifizieren lassen“, als Zweite im Saarland überhaupt. „Dazu gehört zwingend eine Fair Trade AG“, in der die Kinder sich mit Nachhaltigkeit, regionalem Anbau und fairem Handel beschäftigen. „Uns ist es wichtig, Sachen außerhalb schulischen Lernens anzubieten, die sowohl Spaß machen als auch einen gewissen Mehrwert generieren.“
Schon heute richtig groß ist die Nachfrage nach Instrumentalunterricht. „Da arbeiten wir sehr eng mit der Musikschule der Landeshauptstadt zusammen.“ Die Dozenten geben vor Ort Einzelunterricht am Klavier, im nächsten Schuljahr soll Gitarre hinzukommen. „Das ist perfekt“, freut sich Ludwig, den Eltern das umständliche und zeitaufwändige Chauffieren zur Musikschule ersparen zu können. „Bei uns gehen die Schüler nur die Treppe runter und sind da.“
Natürlich ist der Erfolg kein Zufallsprodukt und niemandem in den Schoß gefallen. Vielmehr fußt er auf regelmäßigem lösungsorientierten Austausch und der guten Zusammenarbeit aller Akteure, sprich, ASB, Landeshauptstadt, Regionalverband und den Ministerien. Gemeinsam tragen sie Sorge für die gute Weiterentwicklung aller (außer-)schulischen Bereiche. Funktionieren kann das Projekt letztlich aber nur dank des großen Engagements und dem vielen Herzblut, das alle Mitarbeiter investieren. Der „Spirit“ sei großartig, „jeder will sich einbringen, jeder hat Lust und legt noch ’ne Schippe oben drauf. 110 Prozent, sag ich immer.“ Voraussetzung für die Mitarbeit ist, „dass man sich auf Neues einlassen kann und manchmal auf etwas Unkonventionelles“, betont der pädagogische Leiter. „Das kann auch heißen, dass ein Plan komplett umgeworfen und ein neuer aufgestellt wird.“ Nach den Sommerferien wird sich das Team mehr als verdoppeln, „wir sind dann zu 13. oder 14.“, darunter Praktikanten und junge Leute im Anerkennungsjahr. „Schulsozialarbeit kommt ebenfalls neu hinzu.“
Immer wieder hospitieren Kollegen aus anderen Schulen – und sind baff bis begeistert. Das alte Schulgebäude wurde zeitgemäß renoviert und ausgestattet. „Sowohl die Ausstattung mit pädagogischen Materialien als auch die technische Ausstattung ist hervorragend. Ein sehr gutes Betriebsklima und eine super Ausstattung, was will man mehr“, wertschätzt der gelernte Erzieher.
Zugute kommen Matthias Ludwig und seinem Team nicht zuletzt die „ganz kurzen Wege“ im Haus. Sein Büro grenzt an das Schulsekretariat, die Türen stehen eigentlich immer offen. „Wir besprechen uns täglich zwischen Tür und Angel.“ Klasse sei auch die Lage im lebendigen Saarbrücker Stadtteil Malstatt. „Der Ausblick ist toll, und draußen herrscht immer Action“, meint Ludwig, mit dem Gast aus dem zweiten Stock schauend. „Wir sind mittendrin, aber trotzdem in einem geschützten Rahmen.“ Die Atmosphäre sei familiär. „Wir haben beides, das ist das Schöne.“