[ Navigation beginnen ]>>Navigation überspringen[ Navigation beenden ]
Wählen Sie bitte eine Kategorie aus
Mitarbeiter Interview

„Ich gehe darin auf. Dabei hab ich mir das gar nicht zugetraut.“

Aus einem Jahr wurden bei Anika Bieniek vier: An den Bundesfreiwilligendienst im Seniorenheim hängte sie beim ASB gleich noch eine Ausbildung zur Altenpflegerin dran.

Anika Bieniek könnte jetzt mit Kommilitonen im Hörsaal sitzen und für ihren Bachelor büffeln. Stattdessen stützt die 22-Jährige eine alte Dame, gemeinsam wandeln sie im Schneckentempo durch den Demenzgarten. Bewundern hier eine Blüte, rätseln dort, welches Küchenkraut da so intensiv duftet und ernten vielleicht noch einen Salatkopf. Was an Geschwindigkeit fehlt, machen die Beiden durch gute Laune wett. Es wird viel gelacht. Pflege ist eben nicht nur Kümmern um körperliche Bedürfnisse. Auch wenn das immer noch in den Köpfen herum geistert, genau wie die Mär von der schlechten Bezahlung. Beides entspricht nicht der Realität, weiß Anika inzwischen. Aber der Reihe nach

„Als die Abiprüfungen vorbei waren, hatte ich erstmal genug vom Schulbank drücken“, erzählt die Auszubildende. Weshalb sie sich beim Zoo Neunkirchen für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr und beim ASB für den Bundesfreiwilligendienst (BFD) im Altenheim bewarb. Vom Ansatz her „komplett verschieden“, aber alles gleichermaßen interessant. Bis zum Vorstellungstermin. „Als ich ins Seniorenheim St. Andreas in Homburg-Erbach rein geführt wurde, war es direkt entschieden: Hier will ich hin.“

Der erste Eindruck täuschte nicht. Die Arbeit mit den betagten Bewohnern gefiel der damals 18-Jährigen so gut, dass sie beschloss: lieber „erstmal ins Berufsleben rein schnuppern“. Dafür hängte sie ans BFD noch eine Berufsausbildung zur Altenpflegerin dran. „Ursprünglich war mein Plan, direkt nach dem Freiwilligenjahr zu studieren.“ Inzwischen ist Anika im dritten Lehrjahr. Also Endspurt! Im August und September stehen die Prüfungen an „dann bin ich fertig“.

Schlecht bezahlt fühlt sich die junge Frau übrigens mitnichten. „Ich kann mich nicht beschweren, man verdient nicht schlecht in der Pflege.“ Wobei es da schon Unterschiede gibt, wie sie von Mitschülern an der Berufsschule weiß. „Es kommt immer auch auf den Träger an.“ Eine Freundin von ihr ist ausgelernte Industriekauffrau. „Sei verdient jetzt genau so viel wie ich im letzten Lehrjahr bei den Samaritern.

Ihr Jahrgang und der danach sind die letzten, die den Beruf noch auf die klassische Art und Weise erlernen. Wurde doch inzwischen die generalistische Pflegeausbildung eingeführt, die Alten-, Kinderkranken- und Krankenpflege vereint. Anika kann gut damit leben. Sie sei ohnehin noch nicht so ganz überzeugt von der Generalistik und sehr „glücklich“ über diese drei Jahre Altenpflege pur. Wenn überhaupt, dann haben die anderen ein Problem mit ihrem Beruf. Unterhält sie sich mit Freunden, kommt meistens: Also ich könnte so was nicht machen. „Viele haben dieses Bild im Kopf, dass man nur Fäkalien beseitigt.“ Dabei ist Altenpflege viel viel mehr: „Ich bin Seelsorgerin, spiele Frisör und Kosmetikerin, sitze oft im Büro für Dokumentationen und habe viel mit Ärzten und Befunden zu tun. Diese Arbeit ist total vielfältig“ und überhaupt nicht eindimensional.

Allerdings auch nicht immer einfach und nur schön. Der Umgang und die Auseinandersetzung mit dem Sterben gehört zwingend in dieser Branche dazu. Sehr eindrücklich in Erinnerung ist Anika ein Ehepaar, wo die Ehepartner kurz hintereinander verstarben. „Das kam für mich völlig überraschend“, das habe sie schon getroffen, erinnert sich die angehende Altenpflegerin . „Obwohl man ja gesagt bekommt, dass man sich emotional nicht binden soll. Irgendwas lässt man immer an sich ran.“ Das lässt sich schwer vermeiden. Aber die Kollegen stützen sich in solchen Situationen gegenseitig, man spricht darüber, reflektiert, und bei Bedarf findet man auch in der „Chefetage“ immer ein offenes Ohr, betont die Auszubildende.

Dass Altenpflege ihr Ding ist, kam für alle überraschend, Annika selbst eingeschlossen: „Das hätte ich nicht gedacht, eher was mit Medien, Marketing oder Politik.“ Auch ihre Eltern waren baff. Genau wie ihre Gymnasiallehrer, wenn sie bei Festen in ihrer alten Schule von ihrer Arbeit im Heim erzählt. „Ich geh in diesem Beruf auf. Das hab ich mir gar nicht zugetraut.“ Als Messdienerin hat sie früher mal eine Kindergruppe geleitet. Aber da es in ihrer Familie zum Glück keinen Pflegefall gibt, waren Pflege und Betreuung alter Menschen nie groß ein Thema.

Was sie am meisten liebt an diesem Job? „Menschen zu helfen. Man sieht den alten Leuten an, dass sie froh sind, wenn man sich um sie kümmert. Oft atmen auch die Angehörigen auf, weil man ihnen die Verantwortung abnimmt und sie wissen, da ist jemand, bei dem sind die Eltern oder wer auch immer in guten Händen. Sie haben dann wieder mehr Zeit für ihre eigenen Familien.“ Für Anika gibt es ein ganz einfaches Qualitäts-Kriterium: „so zu pflegen, wie ich meine eigene Oma pflegen würde“. Dann ist es gut.

Nach bestandener Prüfung will sie das Thema Studium noch einmal angehen. Wobei ihr der Abschied vom Heim schwer fällt. „Wir sind dort wie eine große Familie, ich will ungern da weg.“ Entschieden hat sich Anika Bieniek für den Studiengang Management und Expertise im Pflege- und Gesundheitswesen an der HTW Saarbrücken. Nächstes Jahr soll es losgehen, die Regelstudienzeit beträgt sechs Semester. Sehr gut möglich, dass sie danach mit ihrem Bachelor zurück nach Erbach oder in eine andere Pflegeeinrichtung des ASB kommt, um in leitender Funktion mitzuarbeiten. Beste Voraussetzung also für ein Wiedersehen in nicht allzu ferner Zukunft.